Fr 18. Mä 2022
Ein echtes Unikat

Artists of Schwabinger Tor

Unsere Quartiers-Künstlerin Helga ist ein echtes Unikat. In ihrem Atelier in der Leopoldstr.
160 könnt ihr Holz-Skulpturen und expressive Gemälde bestaunen, in ihrer Wohnung ein paar
Stockwerke darüber genießt sie ihre ganz private, grandiose Sicht über München.

Hi Helga! Welche Kunst kreierst du hier im Schwabinger Tor?
Ich bin freischaffende Künstlerin. In meinem Atelier male ich und nutze die Fläche natürlich auch, um meine Kunstwerke auszustellen. In den letzten zehn Jahren habe ich neben der Malerei auch Skulpturen aus Holz gefertigt. Das wurde mit der Zeit allerdings ziemlich anstrengend, ich bin ja nicht mehr die Jüngste (lacht). Die inhaltliche Klammer meines künstlerischen Schaffens ist aber wohl der Mensch. Ja, mein Hauptaugenmerkt liegt auf Portraits, auf Figuren, die ich individuell gestalte.

 

Was macht die Kreation von Skulpturen denn so anstrengend?
All meine Skulpturen habe ich ausschließlich mit der Kettensäge gefertigt. Das ist extreme körperliche Arbeit. Wir haben früher am Ammersee gewohnt, da hatte ich einen großen Garten und konnte mich austoben. Es war die Zeit von Georg Baselitz: Mit seinen Figuren war er in aller Munde. Er hat mich fasziniert und angeregt selbst Holzskulpturen zu fertigen.

 

Kettensägen-Kunst: Ist das nicht gefährlich?
Natürlich ist das gefährlich. Man muss extrem präzise und konzentriert arbeiten. Und braucht viel Kraft. Daher habe ich damit jetzt auch aufgehört und all meine Sägen verkauft, so komme ich nicht mehr in Versuchung. (schmunzelt) Mal abgesehen davon, dass mir jetzt der Platz fehlt. Mein Mann und ich wohnen ja auch seit zwei Jahren im Schwabinger Tor. Wir haben zwar einen Dachgarten, aber die Nachbarn wären bestimmt nicht erfreut über den Lärm. 😅 Und wie gesagt: Alles hat seine Zeit!

 

Du sagst, dein Thema sind insbesondere Menschen. Wie kommt‘s?
Ich habe schon recht früh, mit 16 Jahren, in Innsbruck mit dem Aktzeichnen begonnen und so das Portraitieren für mich entdeckt. Damals vor allem junge Burschen – mehr oder weniger meine Erstversuche. Die Zeichnungen gefallen mir bis heute sehr gut. Da war klar, dass ich es nicht bei den Erstversuchen belassen werde. An Menschen fasziniert mich eigentlich alles. Jeder Mensch ist individuell, hat eine eigene Geschichte zu erzählen. Besonders die unterschiedlichen Gesichtsausdrücke haben es mir angetan und spielen seit sehr vielen Jahren eine große Rolle in meiner Kunst.

 

Wie kamst du allgemein zur Kunst?
Ich bin in Kamnitz in der ehemaligen CSSR geboren. Wir waren damals Ausgewiesene, die in Österreich Zuflucht gefunden haben und schnell Fuß fassen mussten. Mein Vater war einer der Mitbegründer der Glasfachschule in Kramsach in Tirol. Da war schnell klar, dass auch ich erstmal alles rund um die Glasverarbeitung lernen würde. Nach der Ausbildung war ich ab den 1960er Jahren erstmal als Bautechnikerin tätig, das hat mir auch Spaß gemacht. Aber ich hatte immer ein großes Ziel im Hinterkopf: Ein Studium an der Kunstakademie in München.

 

Und das hat geklappt?
Das hat geklappt, ja. Wenn auch etwas später: Ich war erst im Alter von 40 Jahren an der Akademie eingeschrieben. Mein Mann und ich waren bereits eine Zeitlang in München. Und dann habe ich schließlich den Schritt gewagt. Davor galt es erstmal die Aufnahmeprüfung zu bestehen – die ist nicht ohne! (lacht) Ich hatte aber viel positiven Zuspruch von außen. Und man konnte auch ohne Immatrikulation bereits an Vorlesungen oder Kunstreisen teilnehmen. Das habe ich gemacht und mit dem Start an der Akademie begann für mich dann eine ganz tolle Zeit.

 

Erzähl, was macht die Akademie der Bildenden Künste so besonders?
Um künstlerisch erfolgreich zu sein, angesehen und schlichtweg ernstgenommen zu werden, sollte man ein Studium absolvieren. Da ging nichts dran vorbei. Ich habe bei Professor Günther Förg studiert, einem renommierten Künstler – das war eine unglaublich prägende Zeit, wir Studierenden wurden sehr unterstützt. Ich hatte ein eigenes Atelier, wir waren im ständigen Austausch untereinander. Da wollte keiner so schnell wieder weg. Wer es sich leisten konnte, blieb länger als die Regelstudienzeit. Nach fünf Jahren habe ich eine Verlängerung um ein Jahr beantragt und diese auch bewilligt bekommen. Abgeschlossen habe ich mein Studium dann mit Diplom.

 

Und dann begann deine künstlerische Laufbahn?
Durch die Kontakte, die ich auf der Akademie geknüpft habe, konnte ich meine Kunst weiter entfalten und schließlich auch eigene Werke ausstellen. Die ersten Vernissagen waren auf jeden Fall wichtige Meilensteine. Mein besonderer Portrait-Stil wurde sogar einmal mit dem Danner-Preis honoriert. Die Danner-Stiftung ehrt jährlich herausragende Kunstwerke in Bayern. Ein ganz besonderer Moment für mich! Es ist nach wie vor eines meiner Liebslingsmotive, das ich auch selbst noch besitze. Das war allerdings keine meiner Skulpturen, sondern ein expressives Gemälde in Öl auf Leinwand: Ein Ausschnitt der berühmten Kuppel des Pantheons, das wir bei eine Studienreise nach Rom besichtigt hatten. Meine Bilder wurden bislang u.a. von der Bayerischen Staatsgemäldesammlung, BMW, der Hypovereinsbank und privaten Sammlern angekauft.

 

Warum hast du dich schließlich im Schwabinger Tor angesiedelt?
Tatsächlich haben mein Mann und ich ja schon hier gewohnt als die Ateliers eröffnet wurden. Nachdem wir unser Haus am Ammersee aufgegeben hatten, war mir klar, dass ich über kurz oder lang eine Lager-, Ausstellungs- und Wirkungsstätte finden musste. Und da ich in der direkten Nachbarschaft war, konnte ich das alles vor Ort genau verfolgen. Ich glaube das war Fügung! ☺ Die Nähe zu unserer Wohnung ist für mich einfach genial. Und die Lage ist allgemein perfekt: Solange wir noch fit sind, versuchen wir möglichst alles zu Fuß zu erreichen.

 

Reach to the stars: Wohin geht deine künstlerische Reise?
Meine aktive künstlerische Zeit ist mir sehr wichtig. Ich habe aber Gott sei Dank keinen Druck, kann hier einfach kreativ arbeiten. Alles kommt, wie’s kommt – das passt scho! 😉 Hier im Atelier mag ich das Miteinander, den Austausch und bin natürlich dabei, wenn wir mit der Künstlergemeinschaft zusammen ausstellen. Mein Mann und ich wollen künftig auch mal länger mit dem Wohnmobil wegfahren, um möglichst viele Werke der Kunstgeschichte anzuschauen. Darauf freue ich mich und klar: Mein Malereizeug habe ich natürlich immer dabei – ich mal dann meine Assoziationen zu diesen Bildern. Aus Leonardo da Vincis „Dame mit dem Hermelin“ (Cecilia Galleriani) erschaffe ich aktuell z.B. meine eigene „Junge Frau mit Ratte“.